Online-Ausstellung: "Die sowjetische Geheimdienststadt 'Militärstädtchen Nr. 7'"
Station 6: Zentrales Untersuchungsgefängnis der sowjetischen Militärspionageabwehr
Erst die Auflösung des "Militärstädtchens Nr. 7" am 15. August 1994 enthüllte die Nutzung des Gebäudes als Gefängnis. Bereits zwei Wochen später kehrten die ehemaligen Häftlinge Joachim Lange und Ursula Scholz an ihren einstigen Haftort zurück und berichteten über ihr Schicksal.
Der sowjetische Geheimdienst verhaftete 1947 den damals 15-jährigen Joachim Lange (1931–2000) in Leipzig und überstellte ihn in das Gefängnis Leistikowstraße. Die Militärspionageabwehr warf ihm vor, sächsische Wirtschaftsdaten und Informationen über sowjetische Truppenverschiebungen an westliche Geheimdienste weitergegeben zu haben. Zur Haftzeit von Joachim Lange waren für die Vernehmungen deutscher Häftlinge vor allem der stellvertretende Chef der Unterabteilung I, Major Nikolai N. Terjoschin, und der Dolmetscher Hauptmann Rafail Goldfarb zuständig. Die Mitarbeiter der Vernehmungsabteilung verhörten Verdächtige mit äußerster Härte und zwangen sie durch Folter zu Selbstbezichtigungen. Sie hatten Namen angeblicher oder tatsächlicher Beteiligter zu gestehen, was zu weiteren Verhaftungen führte. So wurde Joachim Lange mit fünf weiteren jungen Männern angeklagt. Er erhielt eine 25-jährige Haftstrafe. Er erinnerte sich: "Ich habe dann meinen Untersuchungsrichter gefragt: Wieso ausgerechnet ich? Die haben dafür eigentlich eine plausible und pauschale Erklärung gegeben. Sie vergleichen es mit Fischfang. Sie haben gesagt, sie werfen ein Netz aus, da sind Tausend Fische drin, davon werden 999 weggeworfen oder in der Sardinenbüchse und der eine wird präpariert." (Joachim Lange, 1994)
Joachim Lange war bis 1955 im Speziallager Bautzen und in der Strafvollzugsanstalt Luckau inhaftiert. Die Russische Militärstaatsanwaltschaft rehabilitierte ihn 2004.
Ursula Scholz (1928–2009) arbeitete in Potsdam für das Sonderbaubüro für Bauten der Besatzungsmacht. 1949 wurde sie wegen angeblicher Spionage verhaftet und war vier Monate im Gefängnis Leistikowstraße inhaftiert. Ein Sowjetisches Militärtribunal verurteilte sie zu 25 Jahren Haft, die sie im Speziallager Sachsenhausen und im sowjetischen Strafarbeitslager Workuta verbringen musste, bis man sie 1953 begnadigte. Die Russische Militärstaatsanwaltschaft rehabilitierte sie 1996.
So wie auch andere Häftlinge berichteten sie, wie ihr Eingesperrtsein unter katastrophalen Bedingungen und der Alltag der Bewacher aufeinanderstießen, wenn zum Beispiel die Geräusche eines Fußballspiels aus dem gegenüberliegenden "Stadion" zu hören waren.
Die Dauerausstellung der Gedenkstätte Leistikowstraße bietet 30 Interviewsequenzen mit ehemaligen Häftlingen, in denen Besucher mehr über den Haftalltag und die Verhörmethoden erfahren können.