Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten Gedenk‑ und Begegnungsstätte Leistikowstraße Potsdam

Wehrpass von Witold Abankin

Der aufgeschlagene Wehrpass von Witold Abankin

Wie jeder Soldat erhielt auch der Russe Witold Abankin bei seiner Einberufung ein Ausweisdokument. Sein Wehrpass (russ.: военный билет) enthält neben einem Foto Angaben zu seiner Person. So sind u. a. Vorname, Familienname, Religion, der erlernte und derzeit ausgeübte Beruf sowie die Daten zur Musterung und Aushebung erfasst. Es war das wichtigste Dokument eines Soldaten.

Im Herbst 1965 wurde Witold Abankin zu den Fahnen gerufen, wie der Datumseintrag im Pass zeigt. Seinen Wehrdienst trat der 19-Jährige im brandenburgischen Werder/Havel in der DDR an, zweieinhalb tausend Kilometer entfernt von seiner südrussischen Heimatstadt Ejsk.
Wie ihm erging es abertausenden jungen Männern aus den Sowjetrepubliken, die zunächst für drei, später für zwei Jahre in Ostdeutschland stationiert waren. Mindestens 300.000 Soldaten und Offiziere waren ständig als Besatzungsarmee in der DDR. In ihren Kasernen waren sie nahezu isoliert, Kontakte zur deutschen Bevölkerung waren verboten. Eine schlechte Nahrungsversorgung, Massenunterkünfte, Drill und Gewalt gehörten zum militärischen Alltag. Witold Abankin, der durch seinen Vater bereits seit früher Jugend zu einer ablehnenden Haltung gegenüber dem sowjetischen Herrschaftssystem erzogen wurde, entschloss sich gemeinsam mit seinem Kameraden Wiktor Tschesnokow Anfang August 1966 zur Flucht. Ihren Wehrpass nahmen sie mit, um sich später ausweisen zu können. Doch ihr Versuch, nach West-Berlin zu gelangen, scheiterte nach vier Tagen als sie sich schon in Sicherheit wähnten. Soldaten der DDR-Grenztruppen nahmen sie fest und übergaben sie der sowjetischen Militärspionageabwehr, die nun die Ermittlungen führte. Witold Abankin wurde für vier Monate in das Untersuchungsgefängnis in der Potsdamer Leistikowstraße gesperrt. Sein Wehrpass kam zu den Akten. Ein sowjetisches Militärtribunal verurteilte ihn zwischenzeitlich wegen „Vaterlandsverrats“ zu 12 Jahren Haft.

Seine Strafe musste er in den mordowienischen Lagern Nr. 17 und Nr. 19, dem Lager Nr. 36 in Perm und zuletzt im Gefängnis Wladimir absitzen. Wegen zahlreicher Protestaktionen, Hungerstreiks und einem Fluchtversuch musste er in den Lagern zahlreiche Wochen in Strafkarzern verbringen. Als er 1978 entlassen wurde, erhielt er auch seinen Militärausweis wieder ausgehändigt.

Im Jahr 2000 besuchte Witold Abankin erstmals wieder das ehemalige Gefängnis in Potsdam. Die Gedenkstätte führte 2010 mit ihm ein ausführliches Zeitzeugeninterview über sein Schicksal. Für die Sammlung übergab er seinen einstigen Wehrpass, der seit 2012 als Exponat in der Dauerausstellung zu sehen ist.

 

Wehrpass | Papier | 17,3 x 12,2 x 0,5 cm | INV0137