Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten Gedenk‑ und Begegnungsstätte Leistikowstraße Potsdam

Presseinformationen

10/2019: Die Gedenkstätten stehen vor großen Herausforderungen bei der Vermittlung und bei der Digitalisierung

13. Februar 2019

Nr.: 10/2019

Die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten blickt auf ein ausgesprochen erfolgreiches Jahr zurück. Der Schnitt an Besucherinnen und Besuchern bewegte sich mit mehr als 850.000 auf dem erfreulich hohen Niveau der letzten Jahre. Gleiches gilt für die pädagogischen Programmpunkte, bei denen mit etwa 4.500 durchgeführten Einheiten sogar eine Steigerung im Vergleich zum Vorjahr zu verzeichnen ist. Insgesamt konnten zehn Ausstellungsprojekte realisiert und mehr als 80 Veranstaltungen durchgeführt werden.

Bei der gemeinsamen Vorstellung des Jahresprogramms der Gedenkstättenstiftung mit Kulturministerin Dr. Martina Münch, an der auch Dr. Insa Eschebach, Leiterin der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, Dr.Sylvia de Pasquale, Leiterin der Gedenkstätten Brandenburg an der Havel, und Maria Schultz, kommissarische Leiterin der Gedenk- und Begegnungsstätte Leistikowstraße Potsdam, teilnahmen, sagte Stiftungsdirektor Axel Drecoll, der auch die Gedenkstätte Sachsenhausen leitet, heute in Potsdam: Aktuelle Ereignisse und Entwicklungen in den letzten Jahren stellen die Stiftung und ihre Einrichtungen vor neue Herausforderungen vor allem in den Bereichen von Geschichtsvermittlung und Digitalisierung, aber auch angesichts eines veränderten gesellschaftspolitischen Klimas. Auf diese Herausforderungen wollen wir im laufenden Jahr mit ersten Projekten und Veranstaltungen reagieren. Dabei wird die Stiftung durch 4,5 neue Stellen, vor allem im Bereich der Pädagogik, und einen Aufwuchs der Haushalte der Stiftung und der Gedenkstätte Leistikowstraße um nahezu 800.000 Euro unterstützt. Dafür danken wir den Mittelgebern von Land und Bund sehr herzlich. Um tatsächlich den Standard vergleichbarer Museen mit internationalem Renommee zu erreichen, sind in Zukunft allerdings noch weitere Anstrengungen notwendig.“

Kulturministerin Martina Münch: „Die zahlreichen Gedenkorte der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten spielen eine zentrale Rolle in der Erinnerungskultur unseres Landes. Die Gedenkstätte Sachsenhausen ist nicht nur die wichtigste KZ-Gedenkstätte in Brandenburg – sie ist mit jährlich rund 700.000 Besucherinnen und Besuchern nach Dachau die größte Gedenkstätte in Deutschland und wegen ihrer mehrfachen Vergangenheit als KZ und sowjetisches Speziallager von besonderer historischer Bedeutung. In Sachsenhausen, aber auch an den anderen Gedenkstätten wie in Ravensbrück, Potsdam, Brandenburg an der Havel, im Belower Wald und in Jamlitz, wird man konkret und unmittelbar an individuelle Schicksale und unzähliges Leid erinnert und kann sich mit den fürchterlichen Auswirkungen des Nationalsozialismus sowie den Folgen der Sowjet- und DDR-Diktatur auseinandersetzen. Vor dem Hintergrund der immer weniger werdenden Zeitzeugen und einer sich durch Zuzug und Digitalisierung verändernden Gesellschaft müssen auch künftig zeitgemäße Vermittlungsformate und neue Zugänge zu diesen wichtigen Themen entwickelt werden. Gerade junge Menschen sollen für die Mechanismen eines Unrechtssystems sensibilisiert werden – und damit auch für die Notwendigkeit, rechtsradikalen, rassistischen und antisemitischen Stimmungen bereits früh entschlossen entgegenzutreten. Die Erinnerung an das schreckliche Geschehen in Deutschland während des NS-Regimes, aber auch an die Folgen der DDR-Diktatur, verpflichten heute und in Zukunft zu einem entschlossenen Eintreten für Toleranz, Demokratie, Pluralismus und Freiheit.“

Zahlreiche Vorhaben und Projekte der Stiftung und der Gedenkstätten widmen sich in diesem Jahr dem Thema der Digitalisierung. Drecoll: „Mit Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur, Tagungen, Forschungs- und Ausstellungsprojekten in Kooperation mit renommierten Museen und Wissenschaftseinrichtungen stellen wir uns den Herausforderungen der Digitalisierung und fragen nach den Chancen und Grenzen neuer Formen medialer Vermittlung in Gedenkstätten. Gerade bei unseren sensiblen Themen müssen wir genau wissen, in welche Richtung die Ausstellungsrezeption durch multimediale Angebote und digitale Interaktionsmöglichkeiten beeinflusst wird.“

Nach Drecolls Auffassung stellt auch das Erstarken rechtspopulistischer Bewegungen in Deutschland eine Herausforderung für die Gedenkstätten dar. Drecoll: „Der Versuch, die Erinnerungskultur durch die Verharmlosung der NS-Geschichte fundamental zu verändern, betrifft die Arbeit der Gedenkstätten in der Stiftung unmittelbar. Wir stehen vor der Herausforderung, wie Gedenken und Erinnerung an die Opfer der Verbrechen und ein kritisch reflektiertes Geschichtsbewusstsein in einem sich derart verändernden politischen Umfeld verteidigt und gestärkt werden können. Wir müssen uns gegen jede Politik, die die Grundprämissen der Gedenkstättenarbeit konterkariert, auch in Zukunft vehement zur Wehr zu setzen“, so Drecoll.

Unter dem Motto „aus der Region für die Region“ möchte die Stiftung verstärkt Geschichtsprojekte in Brandenburg unterstützen oder entsprechende Kooperationsbeziehungen eingehen sowie aktuelle Fragestellungen aufgreifen, die die Gedenkstätten betreffen. „Wir wollen gerade bei den Menschen in der Region ein Bewusstsein für die Notwendigkeit der kritischen Beschäftigung mit der Vergangenheit wachhalten und ihnen Analysewerkzeuge an die Hand zu geben, die einen reflektierten Umgang mit Geschichte ermöglichen“, erklärte Axel Drecoll. Mit dem verstärkten Engagement der Stiftung in Jamlitz-Lieberose, wo der Gedenkort weiter ausgebaut wird, und dem Veranstaltungsformat „Debatte Brandenburg“, das im Juni mit einer Podiumsdiskussion über Rechtspopulismus und Erinnerungskultur eröffnet wird, werden erste Vorhaben in diese Richtung auf den Weg gebracht.

Außerdem sind in der Gedenkstätte Sachsenhausen ein Workshop zum Beginn des Zweiten Weltkriegs vor 80 Jahren und ein Interviewprojekt mit ehemaligen Häftlingen des sowjetischen Speziallagers geplant, das in Zusammenarbeit mit der Filmemacherin Loretta Walz realisiert wird. In der Gedenkstätte Ravensbrück kommen drei große Sanierungsprojekte zum Abschluss, das KZ-Wasserwerk, der Zellenbau und das südliche Lagergelände, das ab 2020 für Besucher zugänglich sein wird. Mit einer Sonderausstellung über deutsche politische Häftlinge erinnert die Gedenkstätte Ravensbrück ab September an ihre Gründung vor 60 Jahren. Schwerpunkt in den Gedenkstätten Brandenburg an der Havel ist die Entwicklung pädagogischer Angebote in Verbindung mit der Dauerausstellung zur Geschichte des Zuchthauses Brandenburg-Görden, die im vergangenen Jahr eröffnet wurde. In der Gedenkstätte Leistikowstraße in Potsdam hat ein Forschungsprojekt zu antikommunistischen Personennetzwerken begonnen, die in der Zeit des Kalten Krieges im sowjetischen Untersuchungsgefängnis inhaftiert waren.

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